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Wir haben eine Vision vom Glacis


 
Donaukurier 11.06.07

Vision von einem Festungspark

Ingolstadt (DK) Der Stadtheimatpfleger ist ein ruhiger, besonnener Mann. Aber manchmal packt ihn die Leidenschaft, und er gerät ins Schwärmen. Denn Christian Dittmar hat eine Vision: ein Festungspark inmitten der Stadt – als Pendant zum Klenzepark. "Das wäre in ganz Deutschland einmalig."


Das Herzstück dieses Festungsparks, von dem Christian Dittmar schwärmt, ist das Gelände des ehemaligen Militärschwimmbads. Ein vergessenes Paradies, das wie im Dornröschenschlaf liegt, nur einen Steinwurf entfernt vom städtischen Treiben rund ums Kreuztor. Man tritt durch ein Tor auf eine von hohen Ziegelmauern gesäumte sonnige Wiese, über die der Wind die winzigen Fallschirme des Löwenzahns jagt. In den Baumkronen zwitschern die Vögel und rauscht der Wind, ein kleines Rinnsaal murmelt leise vor sich hin.
Christian Dittmar entfährt ein tiefer Seufzer, so sehr beglückt ihn dieser Ort. Dann sprudeln die Erinnerungen aus ihm heraus: "Genau hier, im Militärbad, hab’ ich 1946 das Schwimmen gelernt. Ganz allein hab’ ich es mir beigebracht. Das Wasser in dem Becken war ja nur 1,20 Meter tief und das Wasser der Schutter so trüb, dass man seine Füße nicht sehen konnte."
Dittmars Blick wandert über den mächtigen Hauptwall mit den schmalen Schießscharten. In seinem Schatten wurde 1877 das Militärbad errichtet. 1894 baute man die Umkleidekabinen, deren Spuren noch heute sichtbar sind: Das Dach war mit Teerpappe gedeckt – eine schwarze Linie zeichnet die Umrisse auf die Ziegelmauer. 1928 wurde gleich nebenan das Volksbad eröffnet – auch dort schwammen die Ingolstädter zunächst in Schutterwasser. Dass der SC Delphin eine teilweise Überdachung der herrlichen Anlage vorschlägt, kann der Stadtheimatpfleger nicht verstehen. "Alle Haare stellt’s mir auf bei diesem Gedanken."
Überhaupt missfällt ihm dieses kleinteilige Denken. "Man muss den Menschen ins Bewusstsein bringen, dass es sich hier um eine Einheit handelt, für die man ein Gesamtkonzept entwickeln muss", sagt Dittmar. "Jetzt, 15 Jahre nach der Landesgartenschau, könnte sich die Stadt der Nordfestung annehmen." Der Stadtheimatpfleger sieht darin das Pendant zum Klenzepark: "Auch dort, am südlichen Donauufer, herrschte früher dieses Durcheinander wie hier."
Der Reiz dieses Parks liegt nach Ansicht von Dittmar in der Verbindung von Natur und Festung. "Was hier erhalten ist, ist einmalig in Deutschland. Hier kann man die Verteidigungsanlage erlebbar machen." Und er versucht zu erklären, wie Kavalier und Fronte, Hauptwall und Traversgebäude, Anschlussbatterie, Poterne, Künette und Batardeau miteinander einen Verteidigungsgürtel bildeten, wo die Infanterie und wo die schweren Geschütze standen.
Auch Christian Dittmar hat schon etwas im Visier: "Die Kleingärten gehören weg", sagt er und deutet auf die liebevoll angelegten Beete und das Holzhaus mit der Satellitenschüssel auf dem Dach. Als habe er auf das Stichwort gewartet, eilt ein Mann herbei, mit abgesägten verblühten Fliederbüschen auf dem Arm. Ob es hier um den geplanten Biergarten gehe, will er wissen. "Lokale gibt’s doch schon genug. Die Hütte haben wir gerade neu gebaut, für 2000 Euro. Tag und Nacht haben wir gearbeitet und geschwitzt", meint Eduard Hart. "Wir zittern um unsere Gärten." Zu Recht, denn in München werden Pläne geschmiedet für das vergessene Paradies. "Wir haben Interesse an einer Wiederbelebung, die dem Charakter des Geländes und Ensembles Rechnung trägt", erklärt Helmut Gropper, Geschäftsführer der Immobilien Freistaat Bayern, die zuständig für die Verwaltung staatlicher Liegenschaften ist. Konkret geht es um einen Biergarten. Man sei im Gespräch mit Gastronom Lorenz Stiftl und kläre zurzeit die Detailfragen.
Mit dem Biergarten könnte sich der Stadtheimatpfleger anfreunden. "So etwas wie das KIK im Klenzepark wäre durchaus verträglich. Man könnte auch die Mauer durchbrechen zum Glacis. Und einen Wasserlauf bauen." Wieder seufzt Dittmar. "Das wäre so eine Aufwertung und eine touristische Attraktion. Die Stadt hat hier Pfunde, nein Tonnen, mit denen sie wuchern könnte."


Donaukurier 11.06.07

 


   
         
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